Angst ist die Triebfeder von Konfliktvermeidung.
Verstehen wir, was uns bei Konflikten unsicher werden lässt und warum Konflikte nicht grundlegend negativ sein müssen, ebnen wir den Weg für einen leichteren Umgang mit ihnen.
Konfliktpotential ist natürlicherweise immer da. Denn wir leben in Dualität und sogar in Polarität. Jede von uns hat ihre persönliche Lebensgeschichte und damit Überzeugungen, Prägungen, usw. Das birgt Konfliktpotential. Wir ecken an, vertreten andere Werte und beurteilen Situationen unterschiedlich. Während Konflikte somit nichts Besonderes, Überraschendes sind, scheuen wir uns jedoch oft vor den Konflikten und erst recht vor ihrer Klärung.
Wie können wir einen positiveren Blick auf Konflikte entwickeln?
Wie erkennen wir Konflikte und ihre Arten frühzeitig?
Welche Verantwortung trage ich als Leader bei der Konfliktklärung?
Und was hat das alles mit beruflichem Erfolg und persönlicher Zufriedenheit zu tun?
Darüber wollen wir in unserem “Impuls des Monats” sprechen und die Hürden für die Überwindung von Konflikten, die uns natürlich in unserer Zufriedenheit beeinflussen, etwas niedriger machen.
Schauen wir zunächst auf die Entstehung von Konflikten und die Momente, wo Konflikte deutlich sichtbar werden.
Wenn wir kurz in uns gehen - wissen wir: Konflikte entstehen meist unterschwellig. Sie zeigen sich selten direkt. Vielmehr erleben wir Konflikte durch verändertes Verhalten unserer Gegenüber oder durch eine veränderte Kommunikationsweise. Das heißt, wir spüren zuerst die “Symptome” des Konflikts.
Beispielhaft dafür kann eine Auseinandersetzung um einen unaufgeräumten Arbeitsplatz. Der Disput kann ein Symptom dafür sein, dass es zwischen den Konfliktparteien grundlegende Konfliktlinien gibt. Der chaotische Arbeitsplatz ist dann bildlich gesprochen nur der Eisberg, der aus dem Meer herausragt. Der wesentliche Teil liegt unter dem, was wir direkt sehen. (📌 Das Eisbergmodell gehört zu den führenden Kommunikationsmodellen und stützt auf S. Freud; demnach sind 20% am Licht, 80% verborgen; Literatur für mehr dazu z.B. unter www.studyflix.de oder im Buch von F. Schulz von Thun, “Miteinander Reden”).
Wenn beide Seiten hinter die Symptome schauen (dafür muss der Dialog zustande kommen), ist möglich, dass herauskommt, dass sie sich schon längere Zeit auf der Sachebene uneins sind über die Strategie im gemeinsamen Projekt. Geht es einer Seite zu ad hoc, während die andere Seite mehr Orientierung, einen detaillierten Plan benötigt, um gut und zielgerichtet arbeiten zu können? Noch mehr Aufmerksamkeit wäre nötig, wenn sich hinter dem Symptom-Disput ein Problem auf der Beziehungsebene befinden sollte. Denn dann heißt es einzig und allein, den Beziehungskonflikt anzuerkennen und gemeinsam eine Klärung und Lösung anzustoßen. Wichtig ist in diesem Fall, dass sich die Konfliktparteien mit Respekt und wertschätzender Kommunikation begegnen. Denn hier geht es um ein bestimmtes Verhalten, das zu einer Beziehungsstörung geführt hat, nicht um die Person und ihr Sein selbst.
Erinnern wir uns dabei an den Anfang: Konflikte sind ziemlich natürlich. Doch fühlen sie sich oft alles andere als einfach und natürlich an, wenn wir sie spüren. Dass sie sich aufbauschen, wie Gewitterwolken, immer dunkler werden, bis wir sie anpacken, dafür sind wiederum unsere ureigensten Ängste verantwortlich. Es sind unsere tiefsten Ängste davor:
…nicht ok zu sein, so wie wir sind - mit unserem Denken und Fühlen,
…nicht gemocht zu werden,
…nicht dazuzugehören.
Übertragen in die Karrierewelt können wir verschiedene Konfliktparteien und dazugehörige Ängste unterscheiden:
Vorgesetzte: Angst vor Bestrafung und/oder Konsequenzen
Kollegen im Team: Angst vor Ausgrenzung
Vorgesetzte gegenüber Mitarbeitenden: Angst vor Verletzung, Grenz- oder Rollenüberschreitung und/oder möglichen ungünstigen Reaktionen
Sich dies bewusst zu machen und selbst zu erkennen, welche Ängste lähmen, uns in die Unsicherheit katapultieren, kann ein erster Schritt dahin sein, dass wir eine neue Sicht auf Konflikte entwickeln. Wird ein Konflikt beziehungsweise der Mut, einen Konflikt zu klären, dazu führen, dass ich ausgegrenzt oder nicht mehr gemocht werde? Vermutlich nicht. Die Wahrscheinlichkeit ist viel höher, dass ich besser verstanden werde, die Sache, worüber z.B. eine unterschiedliche Meinung in der Herangehensweise besteht, aufgeklärt werden kann - oder eine Art und Weise, die zu Irritationen geführt hat, verständlich gemacht werden kann. Und falls es doch anders kommt, was ist dann? Ich muss nicht von jedem gemocht werden und schon gar nicht in der Karrierewelt. Unsere verborgenen und hinter der Konfliktvermeidung liegenden Ängste sind das, was uns lähmt. Sie lähmen uns in einer Art und Weise, die dem Hier & Jetzt nicht angemessen ist. Außerdem stellen wir uns damit zusätzliche Hürden auf unseren Karriereweg.
Machen wir uns also nochmals bewusst:
👉 Es sind unsere Ängste, die die Scheu vor Konflikten und ihrer Klärung auslösen.
👉 Die Konflikte selbst sind nicht grundsätzlich negativ.
👉 Sind wir uns dessen bewusst und erkennen in einer Konfliktsituation die aufkommenden Ängste, können wir im Erwachsenen-Ich bleiben und eine Klärung der Konfliktursache ansteuern. Dies wiederum ist die Voraussetzung für Zusammenarbeit, für den beruflichen Erfolg und für persönliche Zufriedenheit.
Neben einer neuen, positiveren Sicht auf Konflikte dürfen wir nicht vergessen, Konflikte jeglicher Art verschwinden nicht einfach von allein. Vermeiden wir die Klärung, verstärken sich Konflikte vielmehr. Das Gespenst wächst weiter, bis wir sprichwörtlich das Licht anmachen und uns um die Klärung des Konfliktes kümmern. Leisten wir also unseren Beitrag zur Klärung frühzeitig und warten nicht ab, bis aus einer kleinen grauen Wolke ein gewaltiges Unwetter wird. Wir haben es in der Hand. Auch wenn es für einen Moment ordentlich rummst, besteht die Chance, dass mit der Klärung des Konflikts die Luft wieder frisch und ganz klar wird und wir mit Freude (zusammen) arbeiten können. Vielleicht sogar wachsen wir ein Stück für uns und zusammen, mit dem Erkennen, dass wir mit Konflikten gut umgehen können.
Mache dir für die Konfliktklärung bewusst:
Unabhängig auf welcher Ebene ein Konflikt angesiedelt ist, bei der Konfliktklärung gilt es aufmerksam zu bleiben und das Denken, Fühlen, Handeln im Blick zu behalten. Heißt: Wenn ich weiß, der Konflikt ist da, prüfe - was fühlst du? Was denkst Du? Und vergiss nicht nachzufragen bzw. offen dafür zu sein, was dein Gegenüber meint, denkt, fühlt?
Unser Impuls für dich: Es lohnt sich.
Was uns dann noch helfen kann, leichter, zeitnaher an die Konfliktklärung zu gehen ist, zu verstehen, dass es verschiedene Konfliktarten gibt, die unterschiedlich viel Aufmerksamkeit benötigen und dass sich im Konfliktfall, der immer eine Stresssituation darstellt, sich unser Konflikttyp zeigt. Nehmen wir auch dies bewusst wahr, kann es einfacher werden, aufeinander zuzugehen.
Typische Konfliktarten, die wir in der Arbeitswelt antreffen sind:
Zielkonflikte: Hier liegen zwei Ziele vor, die sich kontrovers gegenüberstehen, eines der Ziele beeinflusst das andere negativ.
Sach- oder Beurteilungskonflikte: Der Weg zum gemeinsamen Ziel, der Zielerreichung, wird unterschiedlich beurteilt.
Verteilungskonflikte: Ein Projekt wird an eine Person/ein Team vergeben, während sich die andere benachteiligt fühlt oder die Gehaltserhöhung fällt nur auf eine Person.
Beziehungskonflikte: Die Art und Weise einer Person hat zu Beziehungsstörung geführt, auf der zwischenmenschlichen, emotionalen Ebene hakt es.
Rollenkonflikte: Da wir immer selbst Rollen einnehmen, kann es passieren, dass die Erwartung an die Position/Rolle in einen Konflikt mit dem tatsächlichem Ergebnis kommt; ein Inter-Rollenkonflikt kann entstehen, wenn wir mehreren Rollen versuchen gleichzeitig gerecht zu werden, während wir selbst Zerrissenheit zwischen den Rollen verspüren.
Was bedeutet dies für Leader?
Während zum Beispiel bei einem Sach- oder Beurteilungskonflikt meist schon der Anstoß zum Dialog über vorhandene unterschiedliche Sichtweisen reicht, inklusive Nachhaken, wie es den Konfliktparteien im Dialog ergangen ist und ob eine Lösung herbeigeführt werden konnte, brauchen Verteilungskonflikte und Beziehungskonflikte viel mehr Aufmerksamkeit. Denn: Verteilungskonflikte gehen mit Neid und Macht einher. Eine Verschiebung der eigentlichen Sache auf die persönliche Ebene ist möglich und gilt es zu verhindern. In Beziehungskonflikten geht es bereits um das Menschliche und auch hier ist hohe Achtsamkeit gefordert, damit keine der Konfliktparteien in seinem Sein in Frage gestellt wird.
📌 Lesetipp: Wer dazu mehr wissen möchte, dem empfehlen wir in der Literatur, insbesondere bei Friedrich Glasl nachzulesen.
Spannend ist dann noch der vertiefende Blick auf die unterschiedlichen Konflikttypen. Welches Verhalten zeigen wir, beobachten wir in Stress-, also auch Konfliktsituationen? Bei uns selbst und eventuell bei unseren Gegenüber?! Können wir darauf aufbauend hilfreich reagieren? Können wir mit dem bewussten Wahrnehmen einen Konflikt schneller ausmachen? Zuallererst müssen wir verstehen, dass wir nicht mit jedem Typ gleich gut umgehen können. Das ist auch ok. Umgekehrt kann es genauso sein. Beginne daher zunächst mit der Frage:
Welcher Konflikttyp bin ich?
Reagiere ich schnell aggressiv, meine Position verteidigend? Dies verbunden mit lauten Worten und eventuell auch mit einem dominanten, nach vorne gelehnten Auftreten? Diese Merkmale weisen auf den Typ Kämpfer bzw. Ankläger hin. Aus Mangel an Vertrauen ist dieser Typ sozusagen fortdauernd im Kampfmodus. Erkennen wir uns selbst darin, gilt es zu hinterfragen, warum fühle ich so und kann ich dieses Verhalten bewusst machen/verankern, mit einem inneren Gegencheck in einer Stresssituation, bevor ich reagiere? Begegnet uns der Kämpfertyp, sollten wir ihm zeigen, dass wir zuhören, sprich Verständnis für ihn aufbringen, aber auch klare Schranken setzen, z.B. sagen, wenn der Wortgebrauch oder das Auftreten unangemessen ist. Oft ist dem Kämpfer nicht wirklich bewusst, dass sein Auftreten unangenehm wirkt.
Tendiere ich dazu, einen Konflikt zu schlucken, zu ertragen, aus der Befürchtung heraus, dass Gegenwehr eh nichts bringt? Sind die reaktiven Worte leise, zaghaft und eher entschuldigend? Diese Merkmale weisen auf den Typ Beschwichtiger hin. Beschwichtiger brauchen mehr Raum, um ihre Position wirklich zu formulieren. Bitten wir diesen Typ, gegebenen Raum zu nutzen. Die Konfliktpartei gegenüber sollte auf aufkommende Schuldgefühle achten und Gehörtes wiederholen, um sicherzugehen, dass sie alles richtig verstanden hat.
Gehe ich Konflikten lieber aus dem Weg, verhalte mich distanziert und antworte rein sachlich, vernünftig erklärend, wenn ich gefragt werde? Diese Merkmale weisen auf den Typ Rationalisierer hin. Empathisches Verhalten fällt diesem Typ schwer. Erkennen wir diesen Typ bei unserer Gegenüber, dann sollten wir darauf achten, dass wir nicht denken, wir überfordern die Person bei der Konfliktklärung. Und selbst gilt es achtsam zu sein, sich selbst zu akzeptieren, aber auch daran zu üben, Gefühle zu kommunizieren.
Oder kenne ich, das Thema schnell zu wechseln, beobachte ich mich eher unruhig, hektisch? Schon mal einen Scherz exakt in einer Stresssituation gemacht, um Spannungen abzubauen? Dies sind Hinweise auf den Typ Ablenker. Auch diesem fällt es schwer, die Konfliktsituation zu ertragen und in eine adäquate Klärung zu gehen.
Fazit: Ob eins, zwei, drei oder vier, diese vier Verhaltensweisen tragen leider nicht zu einer Konfliktlösung bei. Alle vier Typen zeigen vielmehr, dass sie sich selbst nicht “Ok” und wertvoll empfinden. Der Selbswert ist gering bzw. angeknackst.
Wer sich aber selbst akzeptiert und andere akzeptiert - wie sie sind und den Kontext beachtet, kann adäquat handeln. Es gibt den 5. Konflikttyp, der erstrebenswert ist. (📌Literaturtipp: Virginia Satir, “Meine vielen Gesichter”.)
Der kongruente Typ: Ich sehe mich und meine Gegenüber als wertvoll an und das Aufeinander zugehen erfolgt mit einem ehrlichen Annehmen des Problems. Mein Gegenüber erkennt im Dialog, was ich fühle, denn es wird offen und authentisch kommuniziert. So fühlen sich die Konfliktparteien nicht angegriffen, gestresst oder im Selbstwert bedroht.
Hinter Achtsamkeit, Zuhören, eigenem Gegencheck und dem Mut in einen wertschätzenden Dialog zu gehen, steckt also eine Menge Potenzial für eine gute Konfliktklärung. Es ist der Anfang! Zu wissen, dass manche Typen (1-4) mehr Raum benötigen, um sich zu öffnen, unterstützt uns zusätzlich. Und noch mehr: Können wir die verschiedenen Konflikttypen wahrnehmen und unterscheiden, dann wird nicht automatisch jeder Konflikt als lähmend empfunden. Wir haben aufgrund unserer persönlichen Geschichte lediglich unterschiedlich starke Ängste gegenüber spezifischen Konfliktarten und -typen entwickelt. Dieses Bewusstwerden ist dein erster Beitrag zu einer möglichen Konfliktklärung.
Und welche spezifische Verantwortung haben nun Leader?
Wir meinen: Führung hat einen Beitrag zur Konfliktklärung zu leisten, nicht aber die Aufgabe, Konflikte zu lösen. Als Leader ist es wichtig, Konflikte im Team wahrzunehmen. Eine Achtsamkeit für diese zu entwickeln sowie zuzuhören. Und dann auf den Tisch zu packen, auszusprechen, was stört. Gib den Anstoß, Konflikte im Team zu klären. Du hast eine Ermutiger-Rolle, nicht die Löser-Rolle.
Wir empfinden den Unterschied zwischen dem Beitrag zur Konfliktklärung und einer Konfliktlösung als erleichternd und laden dich ein, dir diesen bewusst zu machen. Mit der nochmaligen Erinnerung:
👉Seht Konflikte mit dem Wissen, dass sie nicht zwangsläufig negativ sind.
👉Unabdingbar: Konflikte sind nur im Dialog zu lösen.
“Wie” schaffe ich das:
👉Schaffe den Raum, dass Konfliktpartner in den Dialog gehen.
👉Ermuntere zu einer wertschätzenden Kommunikation.
👉Bleib in Kontakt und fasse nach, ob der Dialog zu einer Klärung geführt hat und wie es den Betroffenen ergangen ist.
👉 Hole Dir Unterstützung bei Bedarf, über Coaching oder Mediation.
Zum Abschluss dieses Impulses noch ein Hinweis auf weitere Themen, die hier nahtlos anknüpfen: Gruppen, in denen wir uns begegnen, haben immer eigene Dynamiken. Gruppen setzen sich aus unterschiedlichen Persönlichkeiten zusammen und jede einzelne Persönlichkeit hat ihre Verhaltensmuster, die sich insbesondere in Stress- und Konfliktsituationen verstärkt zeigen.