Über die Hartnäckigkeit unserer Muster - Und dennoch: Du kannst neu entscheiden!
Die Hartnäckigkeit unserer Muster ist faszinierend und erschreckend zugleich - warum fällt es uns so schwer, uns zu verändern? Obwohl wir doch merken, dass wir mit immer gleicher Handlungsweise unserem Ziel nicht näher kommen, nicht das gewünschte Ergebnis erzielen, sondern eine Extra-Runde nach der nächsten drehen. Dieser Frage möchten wir uns in diesem Text annähern und darüber hinaus zeigen, dass und wie Veränderung dennoch möglich ist.
Hierzu ist es wichtig zu verstehen, was Muster eigentlich sind, wo sie ihren Ursprung haben und woran wir überhaupt erkennen können, dass wir uns mal wieder mitten im Muster befinden bzw. befunden haben.
Muster sind typische Denk-, Fühl- und Verhaltensweisen, ausgelöst durch einen Reiz im Außen. Wenn wir uns in einem Muster befinden, so in der Regel unbewusst. Wir unterliegen einem Automatismus, haben keine Chance selbst zu entscheiden, wie wir reagieren möchten. Das ist neurologisch einfach zu erklären, denn unser Gehirn ist wie wir selbst träge. Es empfängt einen Reiz und anstatt neue Vernetzungen zu bilden, reagiert eine Synapse im Gehirn, um den Reiz einer bereits gemachten Erfahrung zuzuordnen: "Ah, das kenne ich doch! Du, lieber Reiz, gehörst zu mir."
Schon werden die somatischen Körpererfahrungen ausgelöst, die wir in vergangenen Situationen erfahren haben, wir haben das damit verbundene Gefühl, denken frühere Gedanken und verhalten uns entsprechend. Spannend ist, dass wir nicht aus dem Hier & Jetzt heraus reagieren, sondern aufgrund früherer Erfahrungen. Wir alle treten mehrere Zeitreisen am Tag an, empfinden und verhalten uns wie ein früheres Ich von uns. Ein Ich, das in vielen Fällen unserer Kindheit entspringt. Mag sein, dass unser Denken, Fühlen und Verhalten in Bezug auf die vergangene Situation passend und hilfreich gewesen ist - zumindest war es das Beste, was uns als Kind eingefallen ist und das uns möglich war. Doch im Hier und Jetzt ist unsere Reaktion oft unangemessen und hinderlich.
Und da ist sie: Die Extra-Runde, die wir immer und immer wieder drehen, so lange bis wir uns klar darüber sind, dass wir nicht als Erwachsener im Hier und Jetzt reagieren, sondern als Kind. Doch woran erkennen wir unsere Muster? Oft spüren wir es tief im Inneren, wenn wir im Muster sind. Etwas stimmt nicht. Wir nehmen ein latentes Unwohlsein wahr, denn wir sind in gewisser Weise handlungsunfähig: nämlich als Erwachsener. Manchmal zeigt es sich dadurch, dass wir uns wie in einem Film von außen wahrnehmen, nicht aber als Akteur mitspielen können. Manchmal sind wir wie in unserem Inneren gefangen, eingefroren. Wir haben keinen Zugriff mehr auf spontane Reaktionen, unsere sonst so geschätzte Schlagfertigkeit und Kommunikationsfähigkeiten. Und manchmal passiert alles so automatisch und schnell, dass wir erst danach innehalten und uns fragen: “Was war das denn? War ich das?” In allen Fällen erleiden wir eine Art von Kontrollverlust, wir erfahren keinen Moment der Entscheidungsfreiheit.
Zu Beginn unserer Auseinandersetzung mit einem Muster erkennen wir unsere Muster-Reaktionen, die sich auf unser Denken, Fühlen oder Verhalten beziehen können, erst im Nachhinein. Das ist völlig normal, es ist der erste Schritt! Du wirst dir deines Musters bewusst - und Bewusstheit ist der Weg raus aus den Mustern. Um uns zu verändern, müssen wir lernen und uns kontinuierlich darin üben, uns selbst wahrzunehmen - und zwar ganzheitlich: mit unseren Körperempfindungen in unserem Denken, Fühlen und Verhalten. Es folgt die bewusste Auseinandersetzung mit den Fragen: Sind wir damit im Hier und Jetzt? Fühlen wir uns damit wohl?
Dabei hilft uns die dialogische Reflektion, die mit Fragen zu Perspektivwechsel und Unterschiedsbildung einlädt: Was nimmt mein Gegenüber bei mir wahr? Werde ich von anderen genauso erlebt wie ich mich erlebe? Ist meine Reaktion der Situation gegenüber angemessen? Denke ich im Hier und Jetzt wirklich so über mich, über andere, über die Welt? Kann ich meinem Gefühl trauen? Wir dürfen unsere Meinung über uns selbst, über andere und über die Welt updaten - und zwar öfter als einmal im Leben. Ansonsten schauen wir durch unsere kindliche bzw. frühere Brille in die Wirklichkeit und denken davon ausgehend unsere Gedanken. Wir lernen zu beachten, dass unsere Gefühle nicht der Wirklichkeit entsprechen. Oft lassen wir unbeachtet, dass wir das Gefühl - das eventuell aus der Vergangenheit stammt - haben, es aber nicht sind.
Mit der Zeit decken wir auf, welche Reize die Muster-Reaktionen bisher bei uns auslösen. Gepaart mit steigender Bewusstheit erleben wir überraschende Momente: “Moment Mal - Das kenne ich doch!” Wir erwischen uns im Muster-Verhalten, nicht mehr erst danach. Wieder ein Schritt weiter. Und schließlich kommt der Moment, in dem wir die Einladung in unser Muster zu gehen, zwar wahrnehmen, doch auch neue Möglichkeiten im Denken, Fühlen und Verhalten fokussieren können! Wir ermutigen dich dazu, neu zu entscheiden, anders zu reagieren als bisher. Du wirst Selbstbestimmtheit, Selbstsicherheit und Authentizität erleben.
Somit kommen wir mehr und mehr an im Hier und Jetzt, in dem wir als Erwachsener frei, in Autonomie, wählen können, wie wir in Situationen reagieren. Es gibt immer mehrere Möglichkeiten. Heute können wir uns bewusst so verhalten, morgen schon können wir uns bewusst für eine andere Reaktion entscheiden. Ich entscheide, wer ich bin, was ich denke und fühle und verhalte mich adäquat dazu - für mich und andere ein Abbild von Authentizität.
Leider bleiben die Einladungen, in deine Muster zu gehen, deswegen nicht aus. Vor allem in Stresssituationen ist es schwer für uns, bewusst zu bleiben und dem Ruf der Synapse nicht zu folgen und als Kind bzw. früheres Ich zu reagieren. Stell dir zur Veranschaulichung eine Schallplatte vor, auf der die Nadel des Plattenspielers jahrelang die gleiche Bahn zieht. Es entsteht eine immer tiefer werdende Kerbe in der Schallplatte. Müde davon, immer und immer wieder denselben Song zu hören, heben wir die Nadel an und setzen diese an anderer Stelle ab. Wir genießen die neuen Klänge, doch die Nadel rutscht aufgrund der Tiefe der Kerbe wieder in diese hinein. Wir hören das wohl bekannte Lied und müssen für andere Musik die Nadel immer wieder aktiv neu auf die Platte setzen.
Wir empfehlen deswegen, unsere Muster in ihrem Ursprung zu verstehen. Das erleichtert uns die Veränderungsarbeit. Wenn wir perspektivisch in der Tiefe an uns arbeiten, versuchen die Wurzeln der Muster zu verstehen und zu ziehen, gelingt es leichter, als Erwachsener im Hier und Jetzt zu agieren und reagieren. Und es bleibt die Hoffnung, dass sich dadurch unsere Lebensthemen nicht auf höheren Ebenen in Form von anderen Muster-Reaktionen, in neuen Facetten zeigen. Im Coaching arbeiten wir dabei mit Konzepten aus der Transaktionsanalyse, ein Bereich der humanistischen Psychologie und haben damit sehr gute Erfolge erzielen können. Wir gehen an dieser Stelle bewusst nicht näher darauf ein, sondern befassen uns in einem weiteren Artikel mit dem Ursprung unserer Muster.
Mit dem Wissen um die Hartnäckigkeit unserer Muster, geben wir dir abschließend einen für uns sehr bedeutsamen Hinweis: Du darfst liebevoll und nachsichtig mit dir umgehen. So wie du es auch mit einem guten Freund tun würdest. Wieder im Muster gelandet? So what?! Das darf passieren, es ist menschlich. Die nächste Einladung zum Ausschlagen folgt bestimmt.